Neue Ärzte braucht das Land
Diskussionsveranstaltung am 13.09.22 in Bad Orb
Am 13.09.22 fanden rund 40 Gäste ihren Weg in die Diskussionsveranstaltung des Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen Main-Kinzig zur Ärzteversorgung im Main-Kinzig-Kreis in den Gartensaal der Konzerthalle Bad Orb. Moderiert von der grünen Orber Stadträtin Beate Boege-Sonnek und dem Fraktionsvorsitzenden der Grünen in der Stadtverordnetenversammlung, Philip Schinkel, diskutierten die geladenen Referent*innen auf dem Podium lebhaft miteinander und im Anschluss auch lebhaft mit dem Publikum.
Generell herrschte Konsens, dass die Situation zur medizinischen Versorgung im Kreis nicht zuletzt aufgrund der demographischen Entwicklung ein ernstzunehmendes Problem ist.
Es geht nicht nur um fehlende Ärzte wie Georg Freund, Geschäftsführer der Rehakliniken Küppelsmühle betonte. Allgemein fehlt es an Pflegekräften, Physio- wie Ergotherapeuten, ja sogar Reinigungskräfte seien für die Kliniken schwer zu finden. Sein Vorschlag: die starre Trennung zwischen stationärer ärztlicher Versorgung und ambulanter Versorgung aufheben, damit die Patient*innen auch Sprechstunden und Nachsorge in den Kliniken wahrnehmen können. Vorallem der Abbau von zahlreichen Dokumentationspflichten für das medizinische Personal könne „sofort 20-30% mehr Kapazität für die medizinische Versorgung der Patient*innen“ freisetzen.
Kathrin Anders, Landtagsabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag erläuterte einige Maßnahmen und Programme, welche die Landesregierung auf den Weg gebracht hat um die Situation zu verbessern. So unter anderem Zuschüsse des Landes bei der Gründung von Gesundheitszentren (kommunaler wie privater Hand), für die Übernahme einer Einzelpraxis, Gründung einer Zweigpraxis oder auch bei der Gestaltung eines digitalen Sonderweges.
Auch die neue Doppel-Vorabquote im Medizinstudium, die insbesondere die hausärztliche Versorgung im ländlichen Raum stärken soll, wurde thematisiert. „Nicht die Abi-Note ist in diesem Auswahlverfahren auschließlich relevant, sondern auch die persönliche und fachspezifische Eignung, die mit Erfahrungen aus einschlägiger Ausbildung, beruflicher Tätigkeit, Ehrenamt oder Freiwilligendienst belegt werden kann“, führte Frau Anders aus.
Frank Dastych, Präsident der kassenärztlichen Vereinigung erläuterte ausgiebig, welch enormen ökonomischen und psychischen Belastungen viele Ärzte ausgesetzt seien. Er wies auf die beträchtlichen betrieblichen Risiken hin, für die der Arzt als „Einzelunternehmer“ in der Regel persönlich hafte. Strittig wurde seine Aussage aufgenommen, dass die Versorgungssituation im Kreis „eigentlich nicht schlecht“ sei. Deutlich war seine eher ablehnende Haltung gegenüber Gemeinschaftspraxen, medizinischen Versorgungszentren oder der Übernahme medizinischer Aufgaben durch Gemeindeschwestern oder das neue Konzept „Community Health Nurses“, das in einigen europäischen Ländern bereits erfolgreich umgesetzt wird.
Hier kam es zu einem durchaus spannenden Austausch mit einem Gast im Publikum, der als praktizierende Pflegekraft das Konzept der Community Heath Nurses verteidigte und den Standesdünkel der Ärzte beklagte, die meinen, nur sie allein könnten qualifiziert über Gesundheitsfragen bei Patient*innen entscheiden.
Andere Stimmen aus dem Publikum beklagten die Arbeitsbedingungen für Pflege- und anderes medizinisches Personal, die unterschiedliche Behandlung von Privat- und Kassenpatienten bei Terminen und Behandlungen und die mangelnden Möglichkeiten der Patient/-innen am Gesundheitssystem mitzubestimmen. Auch der Numerus Clausus und eine Studiendauer von 13 Jahren wurden hinterfragt.
Viele innovative Ideen wie tele-medizinisches Gesundheitsmanagement in Unternehmen, mobile Versorgungskonzepte, digitale Vernetzung etc. konnten leider aus Zeitmangel nicht mehr vertieft werden. Hier könnte es eine Anschlussveranstaltung geben.
Fazit des Abends: Man macht sich viele Gedanken, aber leider helfen die meisten Programme und Maßnahmen, die auf den Weg gebracht wurden und werden kurzfristig wenig, aber hoffentlich in 5-10 Jahren. Für viele ältere Gäste im Publikum unbefriedigend.