Grüne Schlüchtern luden ins Theatrium Steinau ein.
Am 3.Oktober luden die Grünen Schlüchtern zur Gesprächsrunde „Braucht Demokratie Kultur zum Atmen?“ ein, mit Angela Dorn, Ministerin für Kultur und Wissenschaft in Hessen, Günther Koch, Direktkandidat der Grünen im Wahlkreis 42 und Detlef Heinichen, Schauspieler und Leiter des Theatrium Steinau. Der 3. Oktober, der Tag der deutschen Einheit, nahm Günther Koch zum Anlass, über seine Tätigkeit, Eindrücke und Erfahrungen als Diplompädagoge in den noch jungen Bundesländern zu berichten. „Ich habe immer wieder auch Verletzung, Angst und Wut mitbekommen, aber auch eine ganz große Bereitschaft Perspektiven zu wechseln für Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Es gab starke Gefühle hinsichtlich der Zukunft. Sie wurde als unsicher, gefährdet und bedroht beschrieben. Ein sorgsamer und respektvoller Umgang miteinander war und ist hier die Basis von Verständigung, produktivem Arbeiten und erfolgreichem politischen Handeln.“ Der in der DDR geborene und aufgewachsene Detlef Heinichen berichtete spannend und lebendig über seinen Weg zum Schauspieler, „die DDR war theatertechnisch sehr gut aufgestellt, sehr viel besser als der Westen, es gab sehr viele Schulen für Schauspielkunst, die Musikausbildung oder Schriftstellerei. Russland war auch hier das große Vorbild, dort wurde sehr viel Kulturarbeit geleistet. Das Theater war am Anfang nicht indoktriniert, und so erhielt man eine großartige Ausbildung.Mit der Ausbürgerung von Wolf Biermann 1976 hat die Kultur allerdings einen „Knax“ bekommen, die Bühnenarbeit wurde schwieriger und man lernte zwischen den Zeilen zu inszenieren,“ erzählte Heinichen, „und als ich in Verdacht geriet, einem Freund bei der Flucht geholfen zu haben, nicht mehr arbeiten durfte, beantragte ich die Ausreise und konnte 1986 das Land verlassen“. Der Neuanfang im Westen war für ihn nicht einfach, „ich musste erst laufen lernen.“ Er erlebte die Grenzöffnung als einen historischen Moment für Deutschland, und ist der Meinung „Der Mauerfall war das Beste, was diesem Land passieren konnte, und, Heinichen schmunzelte, „Steinau, das Theatrium, war das Beste, was mir geschah.“ Angela Dorn schlägt zum Thema Kultur den Bogen zum Krieg in der Ukraine, wo das Kulturerbe der Ukrainerinnen und Ukrainern gezielt durch russische Angriffe zerstört wird, „da können wir sehen und mitfühlen, was geschieht, wenn die kulturelle Identität eines Volkes vernichtet wird. Die „Kultur ist eben nicht nur das Sahnehäubchen, sondern sie ist der Stein, auf dem alles steht.“ Man kann, nach allem was gesagt wurde, auch den Umkehrschluss zulassen, dass „Kultur Demokratie zum Atmen braucht.“ Angela Dorn betonte ihre Wertschätzung derKulturschaffenden auf dem Land, der kleinen Bühnen wie das Theatrium, der vielen Vereine, die auf dem Land engagiert für die Kultur eintreten. „Sie sind enorm wichtig, denn durch sie entsteht ein großes Ganzes, sie brauchen unsere Unterstützung und Förderung.“ Einig waren sich alle Teilnehmenden und das Publikum, dass die Zusammenarbeit mit Bühnen und Kulturstätten mit Schulen und Kitas intensiviert werden muss, damit Kinder und Jugendliche ein Gefühl für den Zusammenhang zwischen Kultur und Demokratie bekommen. Zur Kultur in Deutschland gehört auch die Erinnerungskultur, die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten wachzuhalten und sich aktiv mit der Thematik auseinanderzusetzen. Günther Koch wies in diesem Zusammenhang auf sein Herzensanliegen hin, die Umgestaltung der Synagoge in Schlüchtern. „Ich unterstütze als Mitglied im Vorstand der Freunde der Synagoge Schlüchtern e. V., damit hier ein Ort entstehen kann, der Bewahren und Erinnern, aber auch eine Auseinandersetzung mit Schrecken und Gräueltaten ermöglichen wird, und wo lebendig Kultur und Demokratie gefeiert werden kann.“Angela Dorn sagte ihre Unterstützung für dieses Projekt auf Landesebene zu, in welcher Konstellation auch immer. DieMusiker Elmar Egold und Armin Engel, Mitglieder des Klezmer Freilach Ensemble Bad Orb, rundeten den Abend mit ihrer hinreißenden Musik ab und begeisterten das Publikummit ihrer traditionellen Folklore-Musik, die im Spannungsfeld zwischen himmelhochjauchzend und dann wieder zu Tode betrübt erklang. Zum Abschluss erklang sehr passend das israelische Lied „Shalom Alechem, Friede für alle“, und das Publikum stimmt mit ein. Eine Besucherin meinte beim Hinausgehen: „Ich habe noch nie so eine tolle Wahlveranstaltung erlebt.“